Vor einigen Wochen stolperten wir im GEO-Magazin über die Behauptung, dass nur 40 % der medizinischen Behandlungen evidenzbasiert seien. Da der Artikel viele Fehler enthielt (wir haben über die Mängel gebloggt) und keine echte Quelle angegeben war (abgesehen von der Behauptung, dass es sich um ein Zitat eines früheren Präsidenten der Bundesärztekammer handle), waren wir geneigt, die Aussage ohne weitere Betrachtung zu verwerfen.
Aber dann dachten wir über die Frage nach und begannen zu suchen. Wir fanden ein offizielles Dokument zu Evidenzbasierter Medizin und eine der Evidenzbasierten Medizin gewidmete Webseite des British Medical Journal, die beide diese Behauptung stützen.
Die BMJ-Seite enthält ein nettes Diagramm, das zeigt, dass die Wirksamkeit von 51 % der medizinischen Behandlungen unbekannt ist. 51 %. Weitere 15 % sind schädlich oder zumindest wahrscheinlich ineffektiv. Wir waren verblüfft. Nach diesen Zahlen wäre Medizin (etwa 40 % erwiesene Wirksamkeit) gar nicht soviel besser als Alternativmedizin (etwa 0 % erwiesene Wirksamkeit).
Ein Anteil von 51 % bei medizinischen Behandlungen mit unbekannter Wirksamkeit? Wow. Perplex fragten wir Professor Edzard Ernst:
Sie kennen vermutlich die folgende Seite:
http://clinicalevidence.bmj.com/ceweb/about/knowledge.jsp
Die Übersicht ist ja nicht gerade berauschend. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ist es nicht unfair auf alternative Methoden herunter zu blicken, wenn es noch solche Lücken in der Medizin gibt?
- Erstens: Zum Teil beruht die niedrige Prozentzahl der Behandlungen mit bewiesener Wirksamkeit darauf, dass in dieser Übersicht auch die Alternativmedizin enthalten ist.
- Zweitens enthält die Einschätzung alle medizinischen Behandlungen, auch solche, die nur selten angewendet werden. Betrachtet man die Prozente für effektive Behandlungen, die täglich angewendet werden, kommt man auf einen Wert von etwa 80 %.
- Drittens ist der Prozess Wissenschaft auf Medizin anzuwenden noch relativ jung – wir betrachten da einen Vorgang, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
- Viertens, wenn ein Bereich nicht optimal ist, so ist das keine Rechtfertigung für einen anderen, noch schlechter zu sein.
Alternativmedizin ist in den Zahlen inkludiert? Na dann, das erklärt einiges.
“By definition”, I begin
“Alternative Medicine”, I continue
“Has either not been proved to work,
Or been proved not to work.
You know what they call “alternative medicine”
That’s been proved to work?
Medicine.”
(Storm von Tim Minchin)